Aufarbeitungskommission und UBSKM trauern um Brigitte Tilmann


07.03.2023 - Die Mitglieder der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs und die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) der Bundesregierung, Kerstin Claus, nehmen Abschied von ihrer geschätzten Mitstreiterin, Kollegin und Freundin Brigitte Tilmann.


Porträt von Kommissionsmitglied Brigitte Tilmann

Seit mehr als zehn Jahren, aber vor allem seit Beginn der Arbeit der Kommission in 2016, hat die Juristin und Präsidentin des Oberlandesgerichts Frankfurt a. D. sich unermüdlich für Betroffene von sexuellem Kindesmissbrauch eingesetzt. Brigitte Tilmann hat mit ihrem Engagement in der Kommission insbesondere dafür gesorgt, dass Betroffene eine Stimme in der Öffentlichkeit erhielten und das von ihnen erfahrene Unrecht wahrgenommen wurde. Kommissionsmitglied Barbara Kavemann erklärte, Brigitte Tilmann habe als Kämpferin für die Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs mit Mut, Zivilcourage und Ausdauer gezeigt, wie wichtig es sei, sich für die Rechte Betroffener und damit für Demokratie und Freiheit einzusetzen.

Brigitte Tilmann brachte in die Arbeit der Kommission nicht nur ihre große juristische Kompetenz ein, sondern auch ihre Herzlichkeit und Zugewandtheit, Verständnis und Empathie für Betroffene, die vor allem in den Anhörungen zum Tragen kamen. Betroffene fühlten sich durch ihre Anerkennung ermutigt, die erlebte Gewalt offenzulegen.

Barbara Kavemann

Kerstin Claus, Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs:
Die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Kerstin Claus, würdigte das jahrelange Engagement der Juristin. Brigitte Tilmann habe die Aufarbeitung von sexueller Gewalt in Deutschland auf gesellschaftlicher und politischer Ebene seit 2010 entschieden geprägt. Ihr Bericht über die Odenwaldschule, dessen Ausgangsgrundlage viele persönliche Gespräche mit Betroffenen waren, habe deutlich gemacht, wie wichtig es sei, Betroffene anzuhören, auch verjährtes Leid sichtbar zu machen und die Strukturen, die Missbrauch begünstigen, aufzudecken. Mit ihrer Erfahrung und ihrem großen ehrenamtlichen Einsatz habe Tilmann viel zur Aufarbeitung sexueller Gewalt und zu einem besseren Schutz der Kinder in Deutschland beigetragen und war über Jahre auch mir eine wunderbare Ansprechpartnerin.

Ihre Expertise und ihr Engagement werden uns fehlen. Wir sind dankbar und auch stolz, dass Brigitte Tilmann mit ihrer Kompetenz, Freude und Zuversicht unsere Arbeit über viele Jahre so wertvoll begleitet und bereichert hat.

Kerstin Claus

Nachdem sich der Deutsche Bundestag durch Beschluss für die Einrichtung einer Aufarbeitungskommission auf Bundesebene ausgesprochen hatte, wurde Brigitte Tilmann 2016 als eines von sieben Mitgliedern in die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs berufen. Zuvor war die Juristin an zwei wichtigen Projekten zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs in Deutschland beteiligt: die Aufklärung der Missbrauchsfälle in der Odenwaldschule und an der Elly-Heuss-Knapp-Schule in Darmstadt. Dafür wurde ihr 2020 der Hessische Verdienstorden verliehen.

In Gesprächen mit betroffenen ehemaligen Schülerinnen und Schülern wurde Brigitte Tilmann damals schnell klar, dass langanhaltendes Schweigen und Tabuisierung das Leiden der Kinder und Jugendlichen bis ins Erwachsenenalter verlängert. Fehlende Verantwortungsübernahme, Wegschauen und Bagatellisieren von Täterschaft führt dazu, dass Täter weiter missbrauchen und das Unrecht nicht aufgearbeitet wird.  Seitdem setzte sich Brigitte Tilmann kontinuierlich dafür ein, dass Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs auf gesellschaftlicher und politischer Ebene umgesetzt wird.


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